
Bei
Amazon erhältlich:
Hans-Peter
Jacobitz und Thomas Königshofen (Hrsg.):
„Gruppe
Internationaler Kommunisten (Holland):
Internationale Pressekorrespondenz“.
504
Seiten, Dezember 2020, EUR 13,41
ISBN 979-8551636052
Mit der
Oktoberrevolution 1917 in Russland war für Kommunisten
in aller Welt ein neues Zeitalter angebrochen. Die
Jahrtausende währende Unterdrückung und Ausbeutung der
Masse der Menschheit durch eine kleine Ausbeuterklasse
schien beendet zu sein. Wie ein Lauffeuer erwartete man
die Ausbreitung der Revolution über die ganze Welt. In
wenigen Jahren sollte der Spuk des Kapitalismus und des
Feudalismus überall beendet sein.
Bekanntlich
kam es anders als erwartet. Zwar gab es einige
kommunistische Aufstände, die aber nach wenigen Wochen
von der Reaktion niedergeschlagen wurden. Und in
Russland, der späteren Sowjetunion, entwickelte sich
eine von der Kommunistischen Partei beherrschte
Staatsmacht, die es einerseits zuließ, dass sich die
kleinen Bauern zu Kleinkapitalisten entwickelten, und
andererseits als Staatskapitalisten eine Arbeiterschaft
zu einer riesigen Lohnarbeitermannschaft zusammenfasste,
die für die Staatszwecke ihre Arbeitskraft abliefern
durfte. Der Kerngedanke einer sozialistischen
Revolution, die Selbstverwaltung der Ökonomie durch die
Arbeiter, die Schaffung von Räten (Sowjets), wurde immer
weiter in den Hintergrund gedrängt. Stattdessen
entwickelte sich schon unter Lenin ein riesiger
Staatsapparat, der mit allen Formen der Gewalt das
gemeine Volk kontrollierte
und oppositionelle Standpunkte bekämpfte.
Anstelle der Planung der Weltrevolution beschränkte die
damalige Sowjetunion die auswärtigen kommunistischen
Parteien auf eine Rolle als Auslandsvertretung, die die
Interessen der Sowjetunion im diplomatischen Spiel mit
den Weltmächten vertreten sollten.
Diese
Perversion des kommunistischen Gedankens wurde Vorbild
für „sozialistische“ Revolutionen überall in der Welt.
Ende des 20. Jahrhunderts fand diese Form des
Sozialismus sein Ende. Unter den sog. Realsozialisten
setzte sich die Anschauung durch, dass ein richtiger
Kapitalismus mit richtigem Privateigentum die
herrschende Klasse und ihre betreuende Staatsmacht
erheblich glücklicher machen könne als ihre merkwürdige
Konstruktion einer sozialistischen Gesellschaft.
Kritische
Stimmen gegen diese Art der „sozialistischen“ Betreuung
von Menschen und Ökonomie gab es unmittelbar nach der
Übernahme der Herrschaft in Russland durch die
Bolschewiki. In Deutschland spaltete sich schon bald –
aufgrund des Verhaltens der KPD während des
Kapp-Putsches und unterschiedlicher Auffassungen über
die bürgerliche Demokratie und den leninistischen
Parteiaufbau - die Kommunistische Arbeiterpartei von der
KPD ab. Später gab es noch die Kommunistische
Arbeiterunion bzw. die Allgemeine Arbeiterunion mit
ähnlicher Stoßrichtung. Interessant zu bemerken ist,
dass die KAPD zeitweise mehr Mitglieder hatte als die
bekannte KPD. Gemeinsam war diesen Parteien und Unionen
die Kritik an den oben beschriebenen Entwicklungen in
der Sowjetunion. Dagegen setzten sie ihr Konzept der
Organisation der sozialistischen Gesellschaft, die
Rätegesellschaft. In ihr sollen die Menschen frei von
jeder Staatsgewalt über ihre gemeinsamen Anliegen
bestimmen können. Dabei berufen sich die Rätekommunisten
auf die Urväter des wissenschaftlichen Sozialismus, Karl
Marx und Friedrich Engels. Sie schrieben bereits im
Kommunistischen Manifest von 1848: „An die Stelle der
alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und
Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die
freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für freie
Entwicklung aller ist.“
In den
Niederlanden gründeten Kommunisten die Kommunistische
Arbeiterpartei Hollands, die eng mit der deutschen KAP
zusammenarbeitete. Da die holländischen Kommunisten die
Parteistruktur der KAP kritisierten, weil sie der
Meinung war, dass eine Partei dem Geiste des
Rätekommunismus widerspreche, entstand 1927 die „Gruppe
Internationale Kommunisten“. Nach dem Zerfall der KAPD
spätestens 1933 mit der Machtübernahme Hitlers erlangte
die GIK eine hervorragende Bedeutung in der
internationalen Rätebewegung; bedeutende Rätekommunisten
wie Anton Pannekoek, Paul Mattick, Helmut Wagner oder
Henk Canne Meijer veröffentlichten in den Presseorganen
der GIK theoretische Grundlagen der Rätebewegung,
beschrieben praktische Auswirkungen auf den Kampf der
Arbeiterklasse und entwarfen ein Bild einer
kommunistischen Gesellschaft auf Grundlage des
Rätekommunismus.
In den
Jahren 1934 bis 1937 gab die GIK eine unregelmäßig
erscheinende deutschsprachige Zeitschrift, die
„Internationale Rätekorrespondenz“ heraus, die in 22
Ausgaben die gesamte Weltsicht der Rätekommunisten
dokumentierte. In dem hier angekündigten Buch werden
sämtliche Ausgaben der Internationalen Rätekorrespondenz
dem Interessierten zur Lektüre überlassen. Die
Herausgeber haben in Zusammenarbeit mit der Association
Archives Antonie Pannekoek (a.a.a.p.)
in Brüssel und dem International
Institute for Social History in Amsterdam (IISG) die
zum Teil kaum noch lesbaren Reproduktionen der
Zeitschrift transkribiert und korrigiert sowie mit Vor-
und Nachwort versehen
Das Studium
der schon fast 90 Jahre alten Schriften kann eine
theoretische Grundlage für aktuelle soziale Bewegungen
sein. Hierzu ein Zitat aus dem Nachwort: „Aktuell sind
dezentrale Bewegungen zu beobachten, die ganz bewusst
die Regeln der demokratischen erlaubten Meinungsäußerung
verletzen, indem sie nach ihrer Diagnose von
menschenunfreundlichen Umständen zur Tat schreiten.
Aktionen gegen die kapitalistische Benutzung und
Zerstörung von Natur und Umwelt oder gegen die
profitorientierte Wohnraumbewirtschaftung werden von
Betroffenen gemeinsam und eigenständig organisiert,
wobei sie sich gegenüber politischen Einrichtungen, die
den Protest vereinnahmen wollen, äußerst misstrauisch
verhalten. Sie weigern sich, Spielball oder
Wahlkampfmunition von herrschenden Parteien und
Institutionen zu sein, die ihrer Ansicht nach die
beklagten Verhältnisse zu verantworten haben. Eine große
Rolle für die Vernetzung der rebellischen Gruppen
spielen alternative lokale Zeitungen, die die
Aktivitäten unterstützen und publizieren.
Natürlich
gibt es immer noch gewerkschaftlich organisierte
Lohnkämpfe, die sich aber weniger durch eine
kompromisslose Strategie der Durchsetzung von
Forderungen auszeichnen. Hingegen will die Gewerkschaft in den
Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern ihre Rolle als
anerkannter Partner in der Betreuung sozialpolitischer
Konflikte bestätigt sehen.
Aus
rätekommunistischer Sicht gibt es auch heute keine guten
Gründe, Kompromisse mit Staat und Kapital zu schließen.
Sie führen alle auf die Unterwerfung unter die
Berechnungen kapitalistischer Kalkulationen oder die
Gewalt des Staatsapparates hinaus. Dagegen fordern
Rätekommunisten eine neue, selbst gestaltete
Gesellschaft, deren Attraktivität nicht zu verleugnen
ist.“
HENRICI
aus Terz 12/2020
untergrundblättle
Marxistische Debatte: Wie
geht Planwirtschaft
Anmerkungen
zum Artikel von Sabrina Zimmermann
„Marxistische Debatte: Wie geht Planwirtschaft?“
scharf
links
Streit
über kommunistische Planwirtschaft
Die „Rätekorrespondenz“ aus den 1930ern regt zu neuer
Korrespondenz an.
|